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II

Erst in der Abendd"ammerung erwachte Gregor aus seinem schweren ohnmachts"ahnlichen Schlaf. Er w"are gewiss nicht viel sp"ater auch ohne St"orung erwacht, denn er f"uhlte sich gen"ugend ausgeruht und ausgeschlafen, doch schien es ihm, als h"atte ihn ein fl"uchtiger Schritt und ein vorsichtiges Schliessen der zum Vorzimmer f"uhrenden T"ur geweckt. Der Schein der elektrischen Strassenlampen lag bleich hier und da auf der Zimmerdecke und auf den h"oheren Teilen der M"obel, aber unten bei Gregor war es finster. Langsam schob er sich, noch ungeschickt mit seinen F"uhlern tastend, die er erst jetzt sch"atzen lernte, zur T"ure hin, um nachzusehen, was dort geschehen war. Seine linke Seite schien eine einzige lange, unangenehm spannende Narbe und er musste auf seinen zwei Beinreihen regelrecht hinken. Ein Beinchen war "ubrigens im Laufe der vormitt"agigen Vorf"alle schwer verletzt worden – es war fast ein Wunder, dass nur eines verletzt worden war – und schleppte leblos nach.

Erst bei der T"ur merkte er, was ihn dorthin eigentlich gelockt hatte; es war der Geruch von etwas Essbarem gewesen. Denn dort stand ein Napf mit s"usser Milch gef"ullt, in der kleine Schnitten von Weissbrot schwammen. Fast h"atte er vor Freude gelacht, denn er hatte noch gr"osseren Hunger, als am Morgen, und gleich tauchte er seinen Kopf fast bis "uber die Augen in die Milch hinein. Aber bald zog er ihn entt"auscht wieder zur"uck; nicht nur, dass ihm das Essen wegen seiner heiklen linken Seite Schwierigkeiten machte – und er konnte nur essen, wenn der ganze K"orper schnaufend mitarbeitete –, so schmeckte ihm "uberdies die Milch, die sonst sein Lieblingsgetr"ank war, und die ihm gewiss die Schwester deshalb hereingestellt hatte, gar nicht, ja er wandte sich fast mit Widerwillen von dem Napf ab und kroch in die Zimmermitte zur"uck.

Im Wohnzimmer war, wie Gregor durch die T"urspalte sah, das Gas angez"undet, aber w"ahrend sonst zu dieser Tageszeit der Vater seine nachmittags erscheinende Zeitung der Mutter und manchmal auch der Schwester mit erhobener Stimme vorzulesen pflegte, h"orte man jetzt keinen Laut. Nun vielleicht war dieses Vorlesen, von dem ihm die Schwester immer erz"ahlte und schrieb, in der letzten Zeit "uberhaupt aus der "Ubung gekommen. Aber auch ringsherum war es so still, trotzdem doch gewiss die Wohnung nicht leer war. "Was f"ur ein stilles Leben die Familie doch f"uhrte", sagte sich Gregor und f"uhlte, w"ahrend er starr vor sich ins Dunkle sah, einen grossen Stolz dar"uber, dass er seinen Eltern und seiner Schwester ein solches Leben in einer so sch"onen Wohnung hatte verschaffen k"onnen. Wie aber, wenn jetzt alle Ruhe, aller Wohlstand, alle Zufriedenheit ein Ende mit Schrecken nehmen sollte? Um sich nicht in solche Gedanken zu verlieren, setzte sich Gregor lieber in Bewegung und kroch im Zimmer auf und ab.

Einmal w"ahrend des langen Abends wurde die eine Seitent"ure und einmal die andere bis zu einer kleinen Spalte ge"offnet und rasch wieder geschlossen; jemand hatte wohl das Bed"urfnis hereinzukommen, aber auch wieder zuviele Bedenken. Gregor machte nun unmittelbar bei der Wohnzimmert"ur halt, entschlossen, den z"ogernden Besucher doch irgendwie hereinzubringen oder doch wenigstens zu erfahren, wer es sei; aber nun wurde die T"ur nicht mehr ge"offnet und Gregor wartete vergebens. Fr"uh, als die T"uren versperrt waren, hatten alle zu ihm hereinkommen wollen, jetzt, da er die eine T"ur ge"offnet hatte und die anderen offenbar w"ahrend des Tages ge"offnet worden waren, kam keiner mehr, und die Schl"ussel steckten nun auch von aussen.

Sp"at erst in der Nacht wurde das Licht im Wohnzimmer ausgel"oscht, und nun war leicht festzustellen, dass die Eltern und die Schwester so lange wachgeblieben waren, denn wie man genau h"oren konnte, entfernten sich jetzt alle drei auf den Fussspitzen. Nun kam gewiss bis zum Morgen niemand mehr zu Gregor herein; er hatte also eine lange Zeit, um ungest"ort zu "uberlegen, wie er sein Leben jetzt neu ordnen sollte. Aber das hohe freie Zimmer, in dem er gezwungen war, flach auf dem Boden zu liegen, "angstigte ihn, ohne dass er die Ursache herausfinden konnte, denn es war ja sein seit f"unf Jahren von ihm bewohntes Zimmer – und mit einer halb unbewussten Wendung und nicht ohne eine leichte Scham eilte er unter das Kanapee, wo er sich, trotzdem sein R"ucken ein wenig gedr"uckt wurde und trotzdem er den Kopf nicht mehr erheben konnte, gleich sehr behaglich f"uhlte und nur bedauerte, dass sein K"orper zu breit war, um vollst"andig unter dem Kanapee untergebracht zu werden.

Dort blieb er die ganze Nacht, die er zum Teil im Halbschlaf, aus dem ihn der Hunger immer wieder aufschreckte, verbrachte, zum Teil aber in Sorgen und undeutlichen Hoffnungen, die aber alle zu dem Schlusse f"uhrten, dass er sich vorl"aufig ruhig verhalten und durch Geduld und gr"osste R"ucksichtnahme der Familie die Unannehmlichkeiten ertr"aglich machen m"usse, die er ihr in seinem gegenw"artigen Zustand nun einmal zu verursachen gezwungen war.

Schon am fr"uhen Morgen, es war fast noch Nacht, hatte Gregor Gelegenheit, die Kraft seiner eben gefassten Entschl"usse zu pr"ufen, denn vom Vorzimmer her "offnete die Schwester, fast v"ollig angezogen, die T"ur und sah mit Spannung herein. Sie fand ihn nicht gleich, aber als sie ihn unter dem Kanapee bemerkte – Gott, er musste doch irgendwo sein, er hatte doch nicht wegfliegen k"onnen – erschrak sie so sehr, dass sie, ohne sich beherrschen zu k"onnen, die T"ur von aussen wieder zuschlug. Aber als bereue sie ihr Benehmen, "offnete sie die T"ur sofort wieder und trat, als sei sie bei einem Schwerkranken oder gar bei einem Fremden, auf den Fussspitzen herein. Gregor hatte den Kopf bis knapp zum Rande des Kanapees vorgeschoben und beobachtete sie. Ob sie wohl bemerken w"urde, dass er die Milch stehen gelassen hatte, und zwar keineswegs aus Mangel an Hunger, und ob sie eine andere Speise hereinbringen w"urde, die ihm besser entsprach? T"ate sie es nicht von selbst, er wollte lieber verhungern, als sie darauf aufmerksam machen, trotzdem es ihn eigentlich ungeheuer dr"angte, unterm Kanapee vorzuschiessen, sich der Schwester zu F"ussen zu werfen und sie um irgendetwas Gutes zum Essen zu bitten. Aber die Schwester bemerkte sofort mit Verwunderung den noch vollen Napf, aus dem nur ein wenig Milch ringsherum versch"uttet war, sie hob ihn gleich auf, zwar nicht mit den blossen H"anden, sondern mit einem Fetzen, und trug ihn hinaus. Gregor war "ausserst neugierig, was sie zum Ersatze bringen w"urde, und er machte sich die verschiedensten Gedanken dar"uber. Niemals aber h"atte er erraten k"onnen, was die Schwester in ihrer G"ute wirklich tat. Sie brachte ihm, um seinen Geschmack zu pr"ufen, eine ganze Auswahl, alles auf einer alten Zeitung ausgebreitet. Da war altes halbverfaultes Gem"use; Knochen vom Nachtmahl her, die von festgewordener weisser Sauce umgeben waren; ein paar Rosinen und Mandeln; ein K"ase, den Gregor vor zwei Tagen f"ur ungeniessbar erkl"art hatte; ein trockenes Brot, ein mit Butter beschmiertes Brot und ein mit Butter beschmiertes und gesalzenes Brot. Ausserdem stellte sie zu dem allen noch den wahrscheinlich ein f"ur allemal f"ur Gregor bestimmten Napf, in den sie Wasser gegossen hatte. Und aus Zartgef"uhl, da sie wusste, dass Gregor vor ihr nicht essen w"urde, entfernte sie sich eiligst und drehte sogar den Schl"ussel um, damit nur Gregor merken k"onne, dass er es sich so behaglich machen d"urfe, wie er wolle. Gregors Beinchen schwirrten, als es jetzt zum Essen ging. Seine Wunden mussten "ubrigens auch schon vollst"andig geheilt sein, er f"uhlte keine Behinderung mehr, er staunte dar"uber und dachte daran, wie er vor mehr als einem Monat sich mit dem Messer ganz wenig in den Finger geschnitten, und wie ihm diese Wunde noch vorgestern genug wehgetan hatte. "Sollte ich jetzt weniger Feingef"uhl haben?" dachte er und saugte schon gierig an dem K"ase, zu dem es ihn vor allen anderen Speisen sofort und nachdr"ucklich gezogen hatte. Rasch hintereinander und mit vor Befriedigung tr"anenden Augen verzehrte er den K"ase, das Gem"use und die Sauce; die frischen Speisen dagegen schmeckten ihm nicht, er konnte nicht einmal ihren Geruch vertragen und schleppte sogar die Sachen, die er essen wollte, ein St"uckchen weiter weg. Er war schon l"angst mit allem fertig und lag nur noch faul auf der gleichen Stelle, als die Schwester zum Zeichen, dass er sich zur"uckziehen solle, langsam den Schl"ussel umdrehte. Das schreckte ihn sofort auf, trotzdem er schon fast schlummerte, und er eilte wieder unter das Kanapee. Aber es kostete ihn grosse Selbst"uberwindung, auch nur die kurze Zeit, w"ahrend welcher die Schwester im Zimmer war, unter dem Kanapee zu bleiben, denn von dem reichlichen Essen hatte sich sein Leib ein wenig gerundet und er konnte dort in der Enge kaum atmen. Unter kleinen Erstickungsanfallen sah er mit etwas hervorgequollenen Augen zu, wie die nichtsahnende Schwester mit einem Besen nicht nur die "Uberbleibsel zusammenkehrte, sondern selbst die von Gregor gar nicht ber"uhrten Speisen, als seien also auch diese nicht mehr zu gebrauchen, und wie sie alles hastig in einen K"ubel sch"uttete, den sie mit einem Holzdeckel schloss, worauf sie alles hinaustrug. Kaum hatte sie sich umgedreht, zog sich schon Gregor unter dem Kanapee hervor und streckte und bl"ahte sich.

Auf diese Weise bekam nun Gregor t"aglich sein Essen, einmal am Morgen, wenn die Eltern und das Dienstm"adchen noch schliefen, das zweitemal nach dem allgemeinen Mittagessen, denn dann schliefen die Eltern gleichfalls noch ein Weilchen, und das Dienstm"adchen wurde von der Schwester mit irgendeiner Besorgung weggeschickt. Gewiss wollten auch sie nicht, dass Gregor verhungere, aber vielleicht h"atten sie es nicht ertragen k"onnen, von seinem Essen mehr als durch H"orensagen zu erfahren, vielleicht wollte die Schwester ihnen auch eine m"oglicherweise nur kleine Trauer ersparen, denn tats"achlich litten sie ja gerade genug.

Mit welchen Ausreden man an jenem ersten Vormittag den Arzt und den Schlosser wieder aus der Wohnung geschafft hatte, konnte Gregor gar nicht erfahren, denn da er nicht verstanden wurde, dachte niemand daran, auch die Schwester nicht, dass er die Anderen verstehen k"onne, und so musste er sich, wenn die Schwester in seinem Zimmer war, damit begn"ugen, nur hier und da ihre Seufzer und Anrufe der Heiligen zu h"oren. Erst sp"ater, als sie sich ein wenig an alles gew"ohnt hatte – von vollst"andiger Gew"ohnung konnte nat"urlich niemals die Rede sein –, erhaschte Gregor manchmal eine Bemerkung, die freundlich gemeint war oder so gedeutet werden konnte. "Heute hat es ihm aber geschmeckt", sagte sie, wenn Gregor unter dem Essen t"uchtig aufger"aumt hatte, w"ahrend sie im gegenteiligen Fall, der sich allm"ahlich immer h"aufiger wiederholte, fast traurig zu sagen pflegte: "Nun ist wieder alles stehengeblieben. "

W"ahrend aber Gregor unmittelbar keine Neuigkeit erfahren konnte, erhorchte er manches aus den Nebenzimmern, und wo er nur einmal Stimmen h"orte, lief er gleich zu der betreffenden T"ur und dr"uckte sich mit ganzem Leib an sie. Besonders in der ersten Zeit gab es kein Gespr"ach, das nicht irgendwie, wenn auch nur im geheimen, von ihm handelte. Zwei Tage lang waren bei allen Mahlzeiten Beratungen dar"uber zu h"oren, wie man sich jetzt verhalten solle; aber auch zwischen den Mahlzeiten sprach man "uber das gleiche Thema, denn immer waren zumindest zwei Familienmitglieder zu Hause, da wohl niemand allein zu Hause bleiben wollte und man die Wohnung doch auf keinen Fall g"anzlich verlassen konnte. Auch hatte das Dienstm"adchen gleich am ersten Tag – es war nicht ganz klar, was und wieviel sie von dem Vorgefallenen wusste – knief"allig die Mutter gebeten, sie sofort zu entlassen, und als sie sich eine Viertelstunde danach verabschiedete, dankte sie f"ur die Entlassung unter Tr"anen, wie f"ur die gr"osste Wohltat, die man ihr hier erwiesen hatte, und gab, ohne dass man es von ihr verlangte, einen f"urchterlichen Schwur ab, niemandem auch nur das Geringste zu verraten.

Nun musste die Schwester im Verein mit der Mutter auch kochen; allerdings machte das nicht viel M"uhe, denn man ass fast nichts. Immer wieder h"orte Gregor, wie der eine den anderen vergebens zum Essen aufforderte und keine andere Antwort bekam, als: "Danke, ich habe genug" oder etwas "Ahnliches. Getrunken wurde vielleicht auch nichts. "Ofters fragte die Schwester den Vater, ob er Bier haben wolle, und herzlich erbot sie sich, es selbst zu holen, und als der Vater schwieg, sagte sie, um ihm jedes Bedenken zu nehmen, sie k"onne auch die Hausmeisterin darum schicken, aber dann sagte der Vater schliesslich ein grosses "Nein", und es wurde nicht mehr davon gesprochen.

Schon im Laufe des ersten Tages legte der Vater die ganzen Verm"ogensverh"altnisse und Aussichten sowohl der Mutter, als auch der Schwester dar. Hie und da stand er vom Tische auf und holte aus seiner kleinen Wertheimkassa, die er aus dem vor f"unf Jahren erfolgten Zusammenbruch seines Gesch"aftes gerettet hatte, irgendeinen Beleg oder irgendein Vormerkbuch. Man h"orte, wie er das komplizierte Schloss aufsperrte und nach Entnahme des Gesuchten wieder verschloss. Diese Erkl"arungen des Vaters waren zum Teil das erste Erfreuliche, was Gregor seit seiner Gefangenschaft zu h"oren bekam. Er war der Meinung gewesen, dass dem Vater von jenem Gesch"aft her nicht das Geringste "ubriggeblieben war, zumindest hatte ihm der Vater nichts Gegenteiliges gesagt, und Gregor allerdings hatte ihn auch nicht darum gefragt. Gregors Sorge war damals nur gewesen, alles daranzusetzen, um die Familie das gesch"aftliche Ungl"uck, das alle in eine vollst"andige Hoffnungslosigkeit gebracht hatte, m"oglichst rasch vergessen zu lassen. Und so hatte er damals mit ganz besonderem Feuer zu arbeiten angefangen und war fast "uber Nacht aus einem kleinen Kommis ein Reisender geworden, der nat"urlich ganz andere M"oglichkeiten des Geldverdienens hatte, und dessen Arbeitserfolge sich sofort in Form der Provision zu Bargeld verwandelten, das der erstaunten und begl"uckten Familie zu Hause auf den Tisch gelegt werden konnte. Es waren sch"one Zeiten gewesen, und niemals nachher hatten sie sich, wenigstens in diesem Glanze, wiederholt, trotzdem Gregor sp"ater so viel Geld verdiente, dass er den Aufwand der ganzen Familie zu tragen imstande war und auch trug. Man hatte sich eben daran gew"ohnt, sowohl die Familie, als auch Gregor, man nahm das Geld dankbar an, er lieferte es gern ab, aber eine besondere W"arme wollte sich nicht mehr ergeben. Nur die Schwester war Gregor doch noch nahe geblieben, und es war sein geheimer Plan, sie, die zum Unterschied von Gregor Musik sehr liebte und r"uhrend Violine zu spielen verstand, n"achstes Jahr, ohne R"ucksicht auf die grossen Kosten, die das verursachen musste, und die man schon auf andere Weise hereinbringen w"urde, auf das Konservatorium zu schicken. "Ofters w"ahrend der kurzen Aufenthalte Gregors in der Stadt wurde in den Gespr"achen mit der Schwester das Konservatorium erw"ahnt, aber immer nur als sch"oner Traum, an dessen Verwirklichung nicht zudenken war, und die Eltern h"orten nicht einmal diese unschuldigen Erw"ahnungen gern; aber Gregor dachte sehr bestimmt daran und beabsichtigte, es am Weihnachtsabend feierlich zu erkl"aren.

Solche in seinem gegenw"artigen Zustand ganz nutzlose Gedanken gingen ihm durch den Kopf, w"ahrend er dort aufrecht an der T"ure klebte und horchte. Manchmal konnte er vor allgemeiner M"udigkeit gar nicht mehr zuh"oren und liess den Kopf nachl"assig gegen die T"ur schlagen, hielt ihn aber sofort wieder fest, denn selbst das kleine Ger"ausch, das er damit verursacht hatte, war nebenan geh"ort worden und hatte alle verstummen lassen. "Was er nur wieder treibt", sagte der Vater nach einer Weile, offenbar zur T"ure hingewendet, und dann erst wurde das unterbrochene Gespr"ach allm"ahlich wieder aufgenommen.

Gregor erfuhr nun zur Gen"uge – denn der Vater pflegte sich in seinen Erkl"arungen "ofters zu wiederholen, teils, weil er selbst sich mit diesen Dingen schon lange nicht besch"aftigt hatte, teils auch, weil die Mutter nicht alles gleich beim ersten Mal verstand –, dass trotz allen Ungl"ucks ein allerdings ganz kleines Verm"ogen aus der alten Zeit noch vorhanden war, das die nicht anger"uhrten Zinsen in der Zwischenzeit ein wenig hatten anwachsen lassen. Ausserdem aber war das Geld, das Gregor allmonatlich nach Hause gebracht hatte – er selbst hatte nur ein paar Gulden f"ur sich behalten –, nicht vollst"andig aufgebraucht worden und hatte sich zu einem kleinen Kapital angesammelt. Gregor, hinter seiner T"ure, nickte eifrig, erfreut "uber diese unerwartete Vorsicht und Sparsamkeit. Eigentlich h"atte er ja mit diesen "ubersch"ussigen Geldern die Schuld des Vaters gegen"uber dem Chef weiter abgetragen haben k"onnen, und jener Tag, an dem er diesen Posten h"atte loswerden k"onnen, w"are weit n"aher gewesen, aber jetzt war es zweifellos besser so, wie es der Vater eingerichtet hatte. Nun gen"ugte dieses Geld aber ganz und gar nicht, um die Familie etwa von den Zinsen leben zu lassen; es gen"ugte vielleicht, um die Familie ein, h"ochstens zwei Jahre zu erhalten, mehr war es nicht. Es war also bloss eine Summe, die man eigentlich nicht angreifen durfte, und die f"ur den Notfall zur"uckgelegt werden musste; das Geld zum Leben aber musste man verdienen. Nun war aber der Vater ein zwar gesunder, aber alter Mann, der schon f"unf Jahre nichts gearbeitet hatte und sich jedenfalls nicht viel zutrauen durfte; er hatte in diesen f"unf Jahren, welche die ersten Ferien seines m"uhevollen und doch erfolglosen Lebens waren, viel Fett angesetzt und war dadurch recht schwerf"allig geworden. Und die alte Mutter sollte nun vielleicht Geld verdienen, die an Asthma litt, der eine Wanderung durch die Wohnung schon Anstrengung verursachte, und die jeden zweiten Tag in Atembeschwerden auf dem Sopha beim offenen Fenster verbrachte? Und die Schwester sollte Geld verdienen, die noch ein Kind war mit ihren siebzehn Jahren, und der ihre bisherige Lebensweise so sehr zu g"onnen war, die daraus bestanden hatte, sich nett zu kleiden, lange zu schlafen, in der Wirtschaft mitzuhelfen, an ein paar bescheidenen Vergn"ugungen sich zu beteiligen und vor allem Violine zu spielen? Wenn die Rede auf diese Notwendigkeit des Geldverdienens kam, liess zuerst immer Gregor die T"ure los und warf sich auf das neben der T"ur befindliche k"uhle Ledersopha, denn ihm war ganz heiss vor Besch"amung und Trauer.

Oft lag er dort die ganzen langen N"achte "uber, schlief keinen Augenblick und scharrte nur stundenlang auf dem Leder. Oder er scheute nicht die grosse M"uhe, einen Sessel zum Fenster zu schieben, dann die Fensterbr"ustung hinaufzukriechen und, in den Sessel gestemmt, sich ans Fenster zu lehnen, offenbar nur in irgendeiner Erinnerung an das Befreiende, das fr"uher f"ur ihn darin gelegen war, aus dem Fenster zu schauen. Denn tats"achlich sah er von Tag zu Tag die auch nur ein wenig entfernten Dinge immer undeutlicher; das gegen"uberliegende Krankenhaus, dessen nur allzu h"aufigen Anblick er fr"uher verflucht hatte, bekam er "uberhaupt nicht mehr zu Gesicht, und wenn er nicht genau gewusst h"atte, dass er in der stillen, aber v"ollig st"adtischen Charlottenstrasse wohnte, h"atte er glauben k"onnen, von seinem Fenster aus in eine Ein"ode zu schauen, in welcher der graue Himmel und die graue Erde ununterscheidbar sich vereinigten. Nur zweimal hatte die aufmerksame Schwester sehen m"ussen, dass der Sessel beim Fenster stand, als sie schon jedesmal, nachdem sie das Zimmer aufger"aumt hatte, den Sessel wieder genau zum Fenster hinschob, ja sogar von nun ab den inneren Fensterfl"ugel offen liess.

H"atte Gregor nur mit der Schwester sprechen und ihr f"ur alles danken k"onnen, was sie f"ur ihn machen musste, er h"atte ihre Dienste leichter ertragen; so aber litt er darunter. Die Schwester suchte freilich die Peinlichkeit des Ganzen m"oglichst zu verwischen, und je l"angere Zeit verging, desto besser gelang es ihr nat"urlich auch, aber auch Gregor durchschaute mit der Zeit alles viel genauer. Schon ihr Eintritt war f"ur ihn schrecklich. Kaum war sie eingetreten, lief sie, ohne sich Zeit zu nehmen, die T"ure zu schliessen, so sehr sie sonst darauf achtete, jedem den Anblick von Gregors Zimmer zu ersparen, geradewegs zum Fenster und riss es, als ersticke sie fast, mit hastigen H"anden auf, blieb auch, selbst wenn es noch so kalt war, ein Weilchen beim Fenster und atmete tief. Mit diesem Laufen und L"armen erschreckte sie Gregor t"aglich zweimal; die ganze Zeit "uber zitterte er unter dem Kanapee und wusste doch sehr gut, dass sie ihn gewiss gerne damit verschont h"atte, wenn es ihr nur m"oglich gewesen w"are, sich in einem Zimmer, in dem sich Gregor befand, bei geschlossenem Fenster aufzuhalten.

Einmal, es war wohl schon ein Monat seit Gregors Verwandlung vergangen, und es war doch schon f"ur die Schwester kein besonderer Grund mehr, "uber Gregors Aussehen in Erstaunen zu geraten, kam sie ein wenig fr"uher als sonst und traf Gregor noch an, wie er, unbeweglich und so recht zum Erschrecken aufgestellt, aus dem Fenster schaute. Es w"are f"ur Gregor nicht unerwartet gewesen, wenn sie nicht eingetreten w"are, da er sie durch seine Stellung verhinderte, sofort das Fenster zu "offnen, aber sie trat nicht nur nicht ein, sie fuhr sogar zur"uck und schloss die T"ur; ein Fremder h"atte geradezu denken k"onnen, Gregor habe ihr aufgelauert und habe sie beissen wollen. Gregor versteckte sich nat"urlich sofort unter dem Kanapee, aber er musste bis zum Mittag warten, ehe die Schwester wiederkam, und sie schien viel unruhiger als sonst. Er erkannte daraus, dass ihr sein Anblick noch immer unertr"aglich war und ihr auch weiterhin unertr"aglich bleiben m"usse, und dass sie sich wohl sehr "uberwinden musste, vor dem Anblick auch nur der kleinen Partie seines K"orpers nicht davonzulaufen, mit der er unter dem Kanapee hervorragte. Um ihr auch diesen Anblick zu ersparen, trug er eines Tages auf seinem R"ucken – er brauchte zu dieser Arbeit vier Stunden – das Leintuch auf das Kanapee und ordnete es in einer solchen Weise an, dass er nun g"anzlich verdeckt war, und dass die Schwester, selbst wenn sie sich b"uckte, ihn nicht sehen konnte. W"are dieses Leintuch ihrer Meinung nach nicht n"otig gewesen, dann h"atte sie es ja entfernen k"onnen, denn dass es nicht zum Vergn"ugen Gregors geh"oren konnte, sich so ganz und gar abzusperren, war doch klar genug, aber sie liess das Leintuch, so wie es war, und Gregor glaubte sogar einen dankbaren Blick erhascht zu haben, als er einmal mit dem Kopf vorsichtig das Leintuch ein wenig l"uftete, um nachzusehen, wie die Schwester die neue Einrichtung aufnahm.

In den ersten vierzehn Tagen konnten es die Eltern nicht "uber sich bringen, zu ihm hereinzukommen, und er h"orte oft, wie sie die jetzige Arbeit der Schwester v"ollig anerkannten, w"ahrend sie sich bisher h"aufig "uber die Schwester ge"argert hatten, weil sie ihnen als ein etwas nutzloses M"adchen erschienen war. Nun aber warteten oft beide, der Vater und die Mutter, vor Gregors Zimmer, w"ahrend die Schwester dort aufr"aumte, und kaum war sie herausgekommen, musste sie ganz genau erz"ahlen, wie es in dem Zimmer aussah, was Gregor gegessen hatte, wie er sich diesmal benommen hatte, und ob vielleicht eine kleine Besserung zu bemerken war. Die Mutter "ubrigens wollte verh"altnism"assig bald Gregor besuchen, aber der Vater und die Schwester hielten sie zuerst mit Vernunftgr"unden zur"uck, denen Gregor sehr aufmerksam zuh"orte, und die er vollst"andig billigte. Sp"ater aber musste man sie mit Gewalt zur"uckhalten, und wenn sie dann rief: "Lasst mich doch zu Gregor, er ist ja mein ungl"ucklicher Sohn! Begreift ihr es denn nicht, dass ich zu ihm muss?", dann dachte Gregor, dass es vielleicht doch gut w"are, wenn die Mutter hereink"ame, nicht jeden Tag nat"urlich, aber vielleicht einmal in der Woche; sie verstand doch alles viel besser als die Schwester, die trotz all ihrem Mute doch nur ein Kind war und im letzten Grunde vielleicht nur aus kindlichem Leichtsinn eine so schwere Aufgabe "ubernommen hatte.

Der Wunsch Gregors, die Mutter zu sehen, ging bald in Erf"ullung. W"ahrend des Tages wollte Gregor schon aus R"ucksicht auf seine Eltern sich nicht beim Fenster zeigen, kriechen konnte er aber auf den paar Quadratmetern des Fussbodens auch nicht viel, das ruhige Liegen ertrug er schon w"ahrend der Nacht schwer, das Essen machte ihm bald nicht mehr das geringste Vergn"ugen, und so nahm er zur Zerstreuung die Gewohnheit an, kreuz und quer "uber W"ande und Plafond zu kriechen. Besonders oben auf der Decke hing er gern; es war ganz anders, als das Liegen auf dem Fussboden; man atmete freier; ein leichtes Schwingen ging durch den K"orper; und in der fast gl"ucklichen Zerstreutheit, in der sich Gregor dort oben befand, konnte es geschehen, dass er zu seiner eigenen "Uberraschung sich losliess und auf den Boden klatschte. Aber nun hatte er nat"urlich seinen K"orper ganz anders in der Gewalt als fr"uher und besch"adigte sich selbst bei einem so grossen Falle nicht. Die Schwester nun bemerkte sofort die neue Unterhaltung, die Gregor f"ur sich gefunden hatte – er hinterliess ja auch beim Kriechen hie und da Spuren seines Klebstoffes –, und da setzte sie es sich in den Kopf, Gregor das Kriechen in gr"osstem Ausmasse zu erm"oglichen und die M"obel, die es verhinderten, also vor allem den Kasten und den Schreibtisch, wegzuschaffen. Nun war sie aber nicht imstande, dies allein zu tun; den Vater wagte sie nicht um Hilfe zu bitten; das Dienstm"adchen h"atte ihr ganz gewiss nicht geholfen, denn dieses etwa sechzehnj"ahrige M"adchen harrte zwar tapfer seit Entlassung der fr"uheren K"ochin aus, hatte aber um die Verg"unstigung gebeten, die K"uche unaufh"orlich versperrt halten zu d"urfen und nur auf besonderen Anruf "offnen zu m"ussen; so blieb der Schwester also nichts "ubrig, als einmal in Abwesenheit des Vaters die Mutter zu holen. Mit Ausrufen erregter Freude kam die Mutter auch heran, verstummte aber an der T"ur vor Gregors Zimmer. Zuerst sah nat"urlich die Schwester nach, ob alles im Zimmer in Ordnung war; dann erst liess sie die Mutter eintreten. Gregor hatte in gr"osster Eile das Leintuch noch tiefer und mehr in Falten gezogen, das Ganze sah wirklich nur wie ein zuf"allig "uber das Kanapee geworfenes Leintuch aus. Gregor unterliess auch diesmal, unter dem Leintuch zu spionieren; er verzichtete darauf, die Mutter schon diesmal zu sehen, und war nur froh, dass sie nun doch gekommen war. "Komm nur, man sieht ihn nicht", sagte die Schwester, und offenbar f"uhrte sie die Mutter an der Hand. Gregor h"orte nun, wie die zwei schwachen Frauen den immerhin schweren alten Kasten von seinem Platze r"uckten, und wie die Schwester immerfort den gr"ossten Teil der Arbeit f"ur sich beanspruchte, ohne auf die Warnungen der Mutter zu h"oren, welche f"urchtete, dass sie sich "uberanstrengen werde. Es dauerte sehr lange. Wohl nach schon viertelst"undiger Arbeit sagte die Mutter, man solle den Kasten doch lieber hier lassen, denn erstens sei er zu schwer, sie w"urden vor Ankunft des Vaters nicht fertig werden und mit dem Kasten in der Mitte des Zimmers Gregor jeden Weg verrammeln, zweitens aber sei es doch gar nicht sicher, dass Gregor mit der Entfernung der M"obel ein Gefallen geschehe. Ihr scheine das Gegenteil der Fall zu sein; ihr bedr"ucke der Anblick der leeren Wand geradezu das Herz; und warum solle nicht auch Gregor diese Empfindung haben, da er doch an die Zimmerm"obel l"angst gew"ohnt sei und sich deshalb im leeren Zimmer verlassen f"uhlen werde. "Und ist es dann nicht so", schloss die Mutter ganz leise, wie sie "uberhaupt fast fl"usterte, als wolle sie vermeiden, dass Gregor, dessen genauen Aufenthalt sie ja nicht kannte, auch nur den Klang der Stimme h"ore, denn dass er die Worte nicht verstand, davon war sie "uberzeugt, "und ist es nicht so, als ob wir durch die Entfernung der M"obel zeigten, dass wir jede Hoffnung auf Besserung aufgeben und ihn r"ucksichtslos sich selbst "uberlassen? Ich glaube, es w"are das beste, wir suchen das Zimmer genau in dem Zustand zu erhalten, in dem es fr"uher war, damit Gregor, wenn er wieder zu uns zur"uckkommt, alles unver"andert findet und umso leichter die Zwischenzeit vergessen kann. "

Beim Anh"oren dieser Worte der Mutter erkannte Gregor, dass der Mangel jeder unmittelbaren menschlichen Ansprache, verbunden mit dem einf"ormigen Leben inmitten der Familie, im Laufe dieser zwei Monate seinen Verstand hatte verwirren m"ussen, denn anders konnte er es sich nicht erkl"aren, dass er ernsthaft darnach hatte verlangen k"onnen, dass sein Zimmer ausgeleert w"urde. Hatte er wirklich Lust, das warme, mit ererbten M"obeln gem"utlich ausgestattete Zimmer in eine H"ohle verwandeln zu lassen, in der er dann freilich nach allen Richtungen ungest"ort w"urde kriechen k"onnen, jedoch auch unter gleichzeitigem, schnellen, g"anzlichen Vergessen seiner menschlichen Vergangenheit? War er doch jetzt schon nahe daran, zu vergessen, und nur die seit langem nicht geh"orte Stimme der Mutter hatte ihn aufger"uttelt. Nichts sollte entfernt werden; alles musste bleiben; die guten Einwirkungen der M"obel auf seinen Zustand konnte er nicht entbehren; und wenn die M"obel ihn hinderten, das sinnlose Herumkriechen zu betreiben, so war es kein Schaden, sondern ein grosser Vorteil.

Aber die Schwester war leider anderer Meinung; sie hatte sich, allerdings nicht ganz unberechtigt, angew"ohnt, bei Besprechung der Angelegenheiten Gregors als besonders Sachverst"andige gegen"uber den Eltern aufzutreten, und so war auch jetzt der Rat der Mutter f"ur die Schwester Grund genug, auf der Entfernung nicht nur des Kastens und des Schreibtisches, an die sie zuerst allein gedacht hatte, sondern auf der Entfernung s"amtlicher M"obel, mit Ausnahme des unentbehrlichen Kanapees, zu bestehen. Es war nat"urlich nicht nur kindlicher Trotz und das in der letzten Zeit so unerwartet und schwer erworbene Selbstvertrauen, das sie zu dieser Forderung bestimmte; sie hatte doch auch tats"achlich beobachtet, dass Gregor viel Raum zum Kriechen brauchte, dagegen die M"obel, soweit man sehen konnte, nicht im geringsten ben"utzte. Vielleicht aber spielte auch der schw"armerische Sinn der M"adchen ihres Alters mit, der bei jeder Gelegenheit seine Befriedigung sucht, und durch den Grete jetzt sich dazu verlocken liess, die Lage Gregors noch schreckenerregender machen zu wollen, um dann noch mehr als bis jetzt f"ur ihn leisten zu k"onnen. Denn in einen Raum, in dem Gregor ganz allein die leeren W"ande beherrschte, w"urde wohl kein Mensch ausser Grete jemals einzutreten sich getrauen.

Und so liess sie sich von ihrem Entschlusse durch die Mutter nicht abbringen, die auch in diesem Zimmer vor lauter Unruhe unsicher schien, bald verstummte und der Schwester nach Kr"aften beim Hinausschaffen des Kastens half. Nun, den Kasten konnte Gregor im Notfall noch entbehren, aber schon der Schreibtisch musste bleiben. Und kaum hatten die Frauen mit dem Kasten, an den sie sich "achzend dr"uckten, das Zimmer verlassen, als Gregor den Kopf unter dem Kanapee hervorstiess, um zu sehen, wie er vorsichtig und m"oglichst r"ucksichtsvoll eingreifen k"onnte. Aber zum Ungl"uck war es gerade die Mutter, welche zuerst zur"uckkehrte, w"ahrend Grete im Nebenzimmer den Kasten umfangen hielt und ihn allein hin und her schwang, ohne ihn nat"urlich von der Stelle zu bringen. Die Mutter aber war Gregors Anblick nicht gew"ohnt, er h"atte sie krank machen k"onnen, und so eilte Gregor erschrocken im R"uckw"artslauf bis an das andere Ende des Kanapees, konnte es aber nicht mehr verhindern, dass das Leintuch vorne ein wenig sich bewegte. Das gen"ugte, um die Mutter aufmerksam zu machen. Sie stockte, stand einen Augenblick still und ging dann zu Grete zur"uck.

Trotzdem sich Gregor immer wieder sagte, dass ja nichts Aussergew"ohnliches geschehe, sondern nur ein paar M"obel umgestellt w"urden, wirkte doch, wie er sich bald eingestehen musste, dieses Hin- und Hergehen der Frauen, ihre kleinen Zurufe, das Kratzen der M"obel auf dem Boden, wie ein grosser, von allen Seiten gen"ahrter Trubel auf ihn, und er musste sich, so fest er Kopf und Beine an sich zog und den Leib bis an den Boden dr"uckte, unweigerlich sagen, dass er das Ganze nicht lange aushalten werde. Sie r"aumten ihm sein Zimmer aus; nahmen ihm alles, was ihm lieb war; den Kasten, in dem die Laubs"age und andere Werkzeuge lagen, hatten sie schon hinausgetragen; lockerten jetzt den schon im Boden fest eingegrabenen Schreibtisch, an dem er als Handelsakademiker, als B"urgersch"uler, ja sogar schon als Volkssch"uler seine Aufgaben geschrieben hatte, – da hatte er wirklich keine Zeit mehr, die guten Absichten zu pr"ufen, welche die zwei Frauen hatten, deren Existenz er "ubrigens fast vergessen hatte, denn vor Ersch"opfung arbeiteten sie schon stumm, und man h"orte nur das schwere Tappen ihrer F"usse.

Und so brach er denn hervor – die Frauen st"utzten sich gerade im Nebenzimmer an den Schreibtisch, um ein wenig zu verschnaufen –, wechselte viermal die Richtung des Laufes, er wusste wirklich nicht, was er zuerst retten sollte, da sah er an der im "ubrigen schon leeren Wand auffallend das Bild der in lauter Pelzwerk gekleideten Dame h"angen, kroch eilends hinauf und presste sich an das Glas, das ihn festhielt und seinem heissen Bauch wohltat. Dieses Bild wenigstens, das Gregor jetzt ganz verdeckte, w"urde nun gewiss niemand wegnehmen. Er verdrehte den Kopf nach der T"ur des Wohnzimmers, um die Frauen bei ihrer R"uckkehr zu beobachten.

Sie hatten sich nicht viel Ruhe geg"onnt und kamen schon wieder; Grete hatte den Arm um die Mutter gelegt und trug sie fast. "Also was nehmen wir jetzt?" sagte Grete und sah sich um. Da kreuzten sich ihre Blicke mit denen Gregors an der Wand. Wohl nur infolge der Gegenwart der Mutter behielt sie ihre Fassung, beugte ihr Gesicht zur Mutter, um diese vom Herumschauen abzuhalten, und sagte, allerdings zitternd und un"uberlegt: "Komm, wollen wir nicht lieber auf einen Augenblick noch ins Wohnzimmer zur"uckgehen?" Die Absicht Gretes war f"ur Gregor klar, sie wollte die Mutter in Sicherheit bringen und dann ihn von der Wand hinunterjagen. Nun, sie konnte es ja immerhin versuchen! Er sass auf seinem Bild und gab es nicht her. Lieber w"urde er Grete ins Gesicht springen.

Aber Gretes Worte hatten die Mutter erst recht beunruhigt, sie trat zur Seite, erblickte den riesigen braunen Fleck auf der gebl"umten Tapete, rief, ehe ihr eigentlich zum Bewusstsein kam, dass das Gregor war, was sie sah, mit schreiender, rauher Stimme: "Ach Gott, ach Gott! " und fiel mit ausgebreiteten Armen, als gebe sie alles auf, "uber das Kanapee hin und r"uhrte sich nicht. "Du, Gregor! " rief die Schwester mit erhobener Faust und eindringlichen Blicken. Es waren seit der Verwandlung die ersten Worte, die sie unmittelbar an ihn gerichtet hatte. Sie lief ins Nebenzimmer, um irgendeine Essenz zu holen, mit der sie die Mutter aus ihrer Ohnmacht wecken k"onnte; Gregor wollte auch helfen – zur Rettung des Bildes war noch Zeit –; er klebte aber fest an dem Glas und musste sich mit Gewalt losreissen; er lief dann auch ins Nebenzimmer, als k"onne er der Schwester irgendeinen Rat geben, wie in fr"uherer Zeit; musste dann aber unt"atig hinter ihr stehen, w"ahrend sie in verschiedenen Fl"aschchen kramte; erschreckte sie noch, als sie sich umdrehte; eine Flasche fiel auf den Boden und zerbrach; ein Splitter verletzte Gregor im Gesicht, irgendeine "atzende Medizin umfloss ihn; Grete nahm nun, ohne sich l"anger aufzuhalten, soviel Fl"aschchen, als sie nur halten konnte, und rannte mit ihnen zur Mutter hinein; die T"ur schlug sie mit dem Fusse zu. Gregor war nun von der Mutter abgeschlossen, die durch seine Schuld vielleicht dem Tode nahe war; die T"ur durfte er nicht "offnen, wollte er die Schwester, die bei der Mutter bleiben musste, nicht verjagen; er hatte jetzt nichts zu tun, als zu warten; und von Selbstvorw"urfen und Besorgnis bedr"angt, begann er zu kriechen, "uberkroch alles, W"ande, M"obel und Zimmerdecke und fiel endlich in seiner Verzweiflung, als sich das ganze Zimmer schon um ihn zu drehen anfing, mitten auf den grossen Tisch.

Es verging eine kleine Weile, Gregor lag matt da, ringsherum war es still, vielleicht war das ein gutes Zeichen. Da l"autete es. Das M"adchen war nat"urlich in ihrer K"uche eingesperrt und Grete musste daher "offnen gehen. Der Vater war gekommen. "Was ist geschehen" waren seine ersten Worte; Gretes Aussehen hatte ihm wohl alles verraten. Grete antwortete mit dumpfer Stimme, offenbar dr"uckte sie ihr Gesicht an des Vaters Brust: "Die Mutter war ohnm"achtig, aber es geht ihr schon besser. Gregor ist ausgebrochen. " "Ich habe es ja erwartet", sagte der Vater, "ich habe es euch ja immer gesagt, aber ihr Frauen wollt nicht h"oren." Gregor war es klar, dass der Vater Gretes allzukurze Mitteilung schlecht gedeutet hatte und annahm, dass Gregor sich irgendeine Gewalttat habe zuschulden kommen lassen. Deshalb musste Gregor den Vater jetzt zu bes"anftigen suchen, denn ihn aufzukl"aren hatte er weder Zeit noch M"oglichkeit. Und so fl"uchtete er sich zur T"ur seines Zimmers und dr"uckte sich an sie, damit der Vater beim Eintritt vom Vorzimmer her gleich sehen k"onne, dass Gregor die beste Absicht habe, sofort in sein Zimmer zur"uckzukehren, und dass es nicht n"otig sei, ihn zur"uckzutreiben, sondern dass man nur die T"ur zu "offnen brauche, und gleich werde er verschwinden.

Aber der Vater war nicht in der Stimmung, solche Feinheiten zu bemerken; "Ah! " rief er gleich beim Eintritt in einem Tone, als sei er gleichzeitig w"utend und froh. Gregor zog den Kopf von der T"ur zur"uck und hob ihn gegen den Vater. So hatte er sich den Vater wirklich nicht vorgestellt, wie er jetzt dastand; allerdings hatte er in der letzten Zeit "uber dem neuartigen Herumkriechen vers"aumt, sich so wie fr"uher um die Vorg"ange in der "ubrigen Wohnung zu k"ummern, und h"atte eigentlich darauf gefasst sein m"ussen, ver"anderte Verh"altnisse anzutreffen. Trotzdem, trotzdem, war das noch der Vater? Der gleiche Mann, der m"ude im Bett vergraben lag, wenn fr"uher Gregor zu einer Gesch"aftsreise ausger"uckt war; der ihn an Abenden der Heimkehr im Schlafrock im Lehnstuhl empfangen hatte; gar nicht recht imstande war, aufzustehen, sondern zum Zeichen der Freude nur die Arme gehoben hatte, und der bei den seltenen gemeinsamen Spazierg"angen an ein paar Sonntagen im Jahr und an den h"ochsten Feiertagen zwischen Gregor und der Mutter, die schon an und f"ur sich langsam gingen, immer noch ein wenig langsamer, in seinen alten Mantel eingepackt, mit stets vorsichtig aufgesetztem Kr"uckstock sich vorw"arts arbeitete und, wenn er etwas sagen wollte, fast immer stillstand und seine Begleitung um sich versammelte? Nun aber war er recht gut aufgerichtet; in eine straffe blaue Uniform mit Goldkn"opfen gekleidet, wie sie Diener der Bankinstitute tragen; "uber dem hohen steifen Kragen des Rockes entwickelte sich sein starkes Doppelkinn; unter den buschigen Augenbrauen drang der Blick der schwarzen Augen frisch und aufmerksam hervor; das sonst zerzauste weisse Haar war zu einer peinlich genauen, leuchtenden Scheitelfrisur niedergek"ammt. Er warf seine M"utze, auf der ein Goldmonogramm, wahrscheinlich das einer Bank, angebracht war, "uber das ganze Zimmer im Bogen auf das Kanapee hin und ging, die Enden seines langen Uniformrockes zur"uckgeschlagen, die H"ande in den Hosentaschen, mit verbissenem Gesicht auf Gregor zu. Er wusste wohl selbst nicht, was er vor hatte; immerhin hob er die F"usse ungew"ohnlich hoch, und Gregor staunte "uber die Riesengr"osse seiner Stiefelsohlen. Doch hielt er sich dabei nicht auf, er wusste ja noch vom ersten Tage seines neuen Lebens her, dass der Vater ihm gegen"uber nur die gr"osste Strenge f"ur angebracht ansah. Und so lief er vor dem Vater her, stockte, wenn der Vater stehen blieb, und eilte schon wieder vorw"arts, wenn sich der Vater nur r"uhrte. So machten sie mehrmals die Runde um das Zimmer, ohne dass sich etwas Entscheidendes ereignete, ja ohne dass das Ganze infolge seines langsamen Tempos den Anschein einer Verfolgung gehabt h"atte. Deshalb blieb auch Gregor vorl"aufig auf dem Fussboden, zumal er f"urchtete, der Vater k"onnte eine Flucht auf die W"ande oder den Plafond f"ur besondere Bosheit halten. Allerdings musste sich Gregor sagen, dass er sogar dieses Laufen nicht lange aushalten w"urde, denn w"ahrend der Vater einen Schritt machte, musste er eine Unzahl von Bewegungen ausf"uhren. Atemnot begann sich schon bemerkbar zu machen, wie er ja auch in seiner fr"uheren Zeit keine ganz vertrauensw"urdige Lunge besessen hatte. Als er nun so dahintorkelte, um alle Kr"afte f"ur den Lauf zu sammeln, kaum die Augen offenhielt; in seiner Stumpfheit an eine andere Rettung als durch Laufen gar nicht dachte; und fast schon vergessen hatte, dass ihm die W"ande freistanden, die hier allerdings mit sorgf"altig geschnitzten M"obeln voll Zacken und Spitzen verstellt waren – da flog knapp neben ihm, leicht geschleudert, irgendetwas nieder und rollte vor ihm her. Es war ein Apfel; gleich flog ihm ein zweiter nach; Gregor blieb vor Schrecken stehen; ein Weiterlaufen war nutzlos, denn der Vater hatte sich entschlossen, ihn zu bombardieren. Aus der Obstschale auf der Kredenz hatte er sich die Taschen gef"ullt und warf nun, ohne vorl"aufig scharf zu zielen, Apfel f"ur Apfel. Diese kleinen roten "Apfel rollten wie elektrisiert auf dem Boden herum und stiessen aneinander. Ein schwach geworfener Apfel streifte Gregors R"ucken, glitt aber unsch"adlich ab. Ein ihm sofort nachfliegender drang dagegen f"ormlich in Gregors R"ucken ein; Gregor wollte sich weiterschleppen, als k"onne der "uberraschende unglaubliche Schmerz mit dem Ortswechsel vergehen; doch f"uhlte er sich wie festgenagelt und streckte sich in vollst"andiger Verwirrung aller Sinne. Nur mit dem letzten Blick sah er noch, wie die T"ur seines Zimmers aufgerissen wurde, und vor der schreienden Schwester die Mutter hervoreilte, im Hemd, denn die Schwester hatte sie entkleidet, um ihr in der Ohnmacht Atemfreiheit zu verschaffen, wie dann die Mutter auf den Vater zulief und ihr auf dem Weg die aufgebundenen R"ocke einer nach dem anderen zu Boden glitten, und wie sie stolpernd "uber die R"ocke auf den Vater eindrang und ihn umarmend, in g"anzlicher Vereinigung mit ihm – nun versagte aber Gregors Sehkraft schon – die H"ande an des Vaters Hinterkopf um Schonung von Gregors Leben bat.


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