I
Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Tr"aumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Er lag auf seinem panzerartig harten R"ucken und sah, wenn er den Kopf ein wenig hob, seinen gew"olbten, braunen, von bogenf"ormigen Versteifungen geteilten Bauch, auf dessen H"ohe sich die Bettdecke, zum g"anzlichen Niedergleiten bereit, kaum noch erhalten konnte. Seine vielen, im Vergleich zu seinem sonstigen Umfang kl"aglich d"unnen Beine flimmerten ihm hilflos vor den Augen.
"Was ist mit mir geschehen?" dachte er. Es war kein Traum. Sein Zimmer, ein richtiges, nur etwas zu kleines Menschenzimmer, lag ruhig zwischen den vier wohlbekannten W"anden. "Uber dem Tisch, auf dem eine auseinandergepackte Musterkollektion von Tuchwaren ausgebreitet war – Samsa war Reisender –, hing das Bild, das er vor kurzem aus einer illustrierten Zeitschrift ausgeschnitten und in einem h"ubschen, vergoldeten Rahmen untergebracht hatte. Es stellte eine Dame dar, die, mit einem Pelzhut und einer Pelzboa versehen, aufrecht dasass und einen schweren Pelzmuff, in dem ihr ganzer Unterarm verschwunden war, dem Beschauer entgegenhob.
Gregors Blick richtete sich dann zum Fenster, und das tr"ube Wetter – man h"orte Regentropfen auf das Fensterblech aufschlagen – machte ihn ganz melancholisch. "Wie w"are es, wenn ich noch ein wenig weiterschliefe und alle Narrheiten verg"asse", dachte er, aber das war g"anzlich undurchf"uhrbar, denn er war gew"ohnt, auf der rechten Seite zu schlafen, konnte sich aber in seinem gegenw"artigen Zustand nicht in diese Lage bringen. Mit welcher Kraft er sich auch auf die rechte Seite warf, immer wieder schaukelte er in die R"uckenlage zur"uck. Er versuchte es wohl hundertmal, schloss die Augen, um die zappelnden Beine nicht sehen zu m"ussen, und liess erst ab, als er in der Seite einen noch nie gef"uhlten, leichten, dumpfen Schmerz zu f"uhlen begann.
"Ach Gott", dachte er, "was f"ur einen anstrengenden Beruf habe ich gew"ahlt! Tag aus, Tag ein auf der Reise. Die gesch"aftlichen Aufregungen sind viel gr"osser, als im eigentlichen Gesch"aft zu Hause, und ausserdem ist mir noch diese Plage des Reisens auferlegt, die Sorgen um die Zuganschl"usse, das unregelm"assige, schlechte Essen, ein immer wechselnder, nie andauernder, nie herzlich werdender menschlicher Verkehr. Der Teufel soll das alles holen! " Er f"uhlte ein leichtes Jucken oben auf dem Bauch; schob sich auf dem R"ucken langsam n"aher zum Bettpfosten, um den Kopf besser heben zu k"onnen; fand die juckende Stelle, die mit lauter kleinen weissen P"unktchen besetzt war, die er nicht zu beurteilen verstand; und wollte mit einem Bein die Stelle betasten, zog es aber gleich zur"uck, denn bei der Ber"uhrung umwehten ihn K"alteschauer.
Er glitt wieder in seine fr"uhere Lage zur"uck. "Dies fr"uhzeitige Aufstehen", dachte er, "macht einen ganz bl"odsinnig. Der Mensch muss seinen Schlaf haben. Andere Reisende leben wie Haremsfrauen. Wenn ich zum Beispiel im Laufe des Vormittags ins Gasthaus zur"uckgehe, um die erlangten Auftr"age zu "uberschreiben, sitzen diese Herren erst beim Fr"uhst"uck. Das sollte ich bei meinem Chef versuchen; ich w"urde auf der Stelle hinausfliegen. Wer weiss "ubrigens, ob das nicht sehr gut f"ur mich w"are. Wenn ich mich nicht wegen meiner Eltern zur"uckhielte, ich h"atte l"angst gek"undigt, ich w"are vor den Chef hin getreten und h"atte ihm meine Meinung von Grund des Herzens aus gesagt. Vom Pult h"atte er fallen m"ussen! Es ist auch eine sonderbare Art, sich auf das Pult zu setzen und von der H"ohe herab mit dem Angestellten zu reden, der "uberdies wegen der Schwerh"origkeit des Chefs ganz nahe herantreten muss. Nun, die Hoffnung ist noch nicht g"anzlich aufgegeben; habe ich einmal das Geld beisammen, um die Schuld der Eltern an ihn abzuzahlen – es d"urfte noch f"unf bis sechs Jahre dauern –, mache ich die Sache unbedingt. Dann wird der grosse Schnitt gemacht. Vorl"aufig allerdings muss ich aufstehen, denn mein Zug f"ahrt um f"unf. "
Und er sah zur Weckuhr hin"uber, die auf dem Kasten tickte. "Himmlischer Vater!" dachte er. Es war halb sieben Uhr, und die Zeiger gingen ruhig vorw"arts, es war sogar halb vor"uber, es n"aherte sich schon dreiviertel. Sollte der Wecker nicht gel"autet haben? Man sah vom Bett aus, dass er auf vier Uhr richtig eingestellt war; gewiss hatte er auch gel"autet. Ja, aber war es m"oglich, dieses m"obelersch"utternde L"auten ruhig zu verschlafen? Nun, ruhig hatte er ja nicht geschlafen, aber wahrscheinlich desto fester. Was aber sollte er jetzt tun? Der n"achste Zug ging um sieben Uhr; um den einzuholen, h"atte er sich unsinnig beeilen m"ussen, und die Kollektion war noch nicht eingepackt, und er selbst f"uhlte sich durchaus nicht besonders frisch und beweglich. Und selbst wenn er den Zug einholte, ein Donnerwetter des Chefs war nicht zu vermeiden, denn der Gesch"aftsdiener hatte beim F"unfuhrzug gewartet und die Meldung von seiner Vers"aumnis l"angst erstattet. Es war eine Kreatur des Chefs, ohne R"uckgrat und Verstand. Wie nun, wenn er sich krank meldete? Das w"are aber "ausserst peinlich und verd"achtig, denn Gregor war w"ahrend seines f"unfj"ahrigen Dienstes noch nicht einmal krank gewesen. Gewiss w"urde der Chef mit dem Krankenkassenarzt kommen, w"urde den Eltern wegen des faulen Sohnes Vorw"urfe machen und alle Einw"ande durch den Hinweis auf den Krankenkassenarzt abschneiden, f"ur den es ja "uberhaupt nur ganz gesunde, aber arbeitsscheue Menschen gibt. Und h"atte er "ubrigens in diesem Falle so ganz unrecht? Gregor f"uhlte sich tats"achlich, abgesehen von einer nach dem langen Schlaf wirklich "uberfl"ussigen Schl"afrigkeit, ganz wohl und hatte sogar einen besonders kr"aftigen Hunger.
Als er dies alles in gr"osster Eile "uberlegte, ohne sich entschliessen zu k"onnen, das Bett zu verlassen – gerade schlug der Wecker dreiviertel sieben – klopfte es vorsichtig an die T"ur am Kopfende seines Bettes. "Gregor", rief es – es war die Mutter –, "es ist dreiviertel sieben. Wolltest du nicht wegfahren?" Die sanfte Stimme! Gregor erschrak, als er seine antwortende Stimme h"orte, die wohl unverkennbar seine fr"uhere war, in die sich aber, wie von unten her, ein nicht zu unterdr"uckendes, schmerzliches Piepsen mischte, das die Worte f"ormlich nur im ersten Augenblick in ihrer Deutlichkeit beliess, um sie im Nachklang derart zu zerst"oren, dass man nicht wusste, ob man recht geh"ort hatte. Gregor hatte ausf"uhrlich antworten und alles erkl"aren wollen, beschr"ankte sich aber bei diesen Umst"anden darauf, zu sagen: "Ja, ja, danke Mutter, ich stehe schon auf. " Infolge der Holzt"ur war die Ver"anderung in Gregors Stimme draussen wohl nicht zu merken, denn die Mutter beruhigte sich mit dieser Erkl"arung und schl"urfte davon. Aber durch das kleine Gespr"ach waren die anderen Familienmitglieder darauf aufmerksam geworden, dass Gregor wider Erwarten noch zu Hause war, und schon klopfte an der einen Seitent"ur der Vater, schwach, aber mit der Faust. "Gregor, Gregor", rief er, "was ist denn?" Und nach einer kleinen Weile mahnte er nochmals mit tieferer Stimme: "Gregor! Gregor!" An der anderen Seitent"ur aber klagte leise die Schwester: "Gregor? Ist dir nicht wohl? Brauchst du etwas?" Nach beiden Seiten hin antwortete Gregor: "Bin schon fertig", und bem"uhte sich, durch die sorgf"altigste Aussprache und durch Einschaltung von langen Pausen zwischen den einzelnen Worten seiner Stimme alles Auffallende zu nehmen. Der Vater kehrte auch zu seinem Fr"uhst"uck zur"uck, die Schwester aber fl"usterte: "Gregor, mach auf, ich beschw"ore dich. " Gregor aber dachte gar nicht daran aufzumachen, sondern lobte die vom Reisen her "ubernommene Vorsicht, auch zu Hause alle T"uren w"ahrend der Nacht zu versperren.
Zun"achst wollte er ruhig und ungest"ort aufstehen, sich anziehen und vor allem fr"uhst"ucken, und dann erst das Weitere "uberlegen, denn, das merkte er wohl, im Bett w"urde er mit dem Nachdenken zu keinem vern"unftigen Ende kommen. Er erinnerte sich, schon "ofters im Bett irgendeinen vielleicht durch ungeschicktes Liegen erzeugten, leichten Schmerz empfunden zu haben, der sich dann beim Aufstehen als reine Einbildung herausstellte, und er war gespannt, wie sich seine heutigen Vorstellungen allm"ahlich aufl"osen w"urden. Dass die Ver"anderung der Stimme nichts anderes war, als der Vorbote einer t"uchtigen Verk"uhlung, einer Berufskrankheit der Reisenden, daran zweifelte er nicht im geringsten.
Die Decke abzuwerfen war ganz einfach; er brauchte sich nur ein wenig aufzublasen und sie fiel von selbst. Aber weiterhin wurde es schwierig, besonders weil er so ungemein breit war. Er h"atte Arme und H"ande gebraucht, um sich aufzurichten; statt dessen aber hatte er nur die vielen Beinchen, die ununterbrochen in der verschiedensten Bewegung waren und die er "uberdies nicht beherrschen konnte. Wollte er eines einmal einknicken, so war es das erste, dass es sich streckte; und gelang es ihm endlich, mit diesem Bein das auszuf"uhren, was er wollte, so arbeiteten inzwischen alle anderen, wie freigelassen, in h"ochster, schmerzlicher Aufregung. "Nur sich nicht im Bett unn"utz aufhalten", sagte sich Gregor.
Zuerst wollte er mit dem unteren Teil seines K"orpers aus dem Bett hinauskommen, aber dieser untere Teil, den er "ubrigens noch nicht gesehen hatte und von dem er sich auch keine rechte Vorstellung machen konnte, erwies sich als zu schwer beweglich; es ging so langsam; und als er schliesslich, fast wild geworden, mit gesammelter Kraft, ohne R"ucksicht sich vorw"artsstiess, hatte er die Richtung falsch gew"ahlt, schlug an den unteren Bettpfosten heftig an, und der brennende Schmerz, den er empfand, belehrte ihn, dass gerade der untere Teil seines K"orpers augenblicklich vielleicht der empfindlichste war.
Er versuchte es daher, zuerst den Oberk"orper aus dem Bett zu bekommen, und drehte vorsichtig den Kopf dem Bettrand zu. Dies gelang auch leicht, und trotz ihrer Breite und Schwere folgte schliesslich die K"orpermasse langsam der Wendung des Kopfes. Aber als er den Kopf endlich ausserhalb des Bettes in der freien Luft hielt, bekam er Angst, weiter auf diese Weise vorzur"ucken, denn wenn er sich schliesslich so fallen liess, musste geradezu ein Wunder geschehen, wenn der Kopf nicht verletzt werden sollte. Und die Besinnung durfte er gerade jetzt um keinen Preis verlieren; lieber wollte er im Bett bleiben.
Aber als er wieder nach gleicher M"uhe aufseufzend so dalag wie fr"uher, und wieder seine Beinchen wom"oglich noch "arger gegeneinander k"ampfen sah und keine M"oglichkeit fand, in diese Willk"ur Ruhe und Ordnung zu bringen, sagte er sich wieder, dass er unm"oglich im Bett bleiben k"onne und dass es das Vern"unftigste sei, alles zu opfern, wenn auch nur die kleinste Hoffnung best"unde, sich dadurch vom Bett zu befreien. Gleichzeitig aber vergass er nicht, sich zwischendurch daran zu erinnern, dass viel besser als verzweifelte Entschl"usse ruhige und ruhigste "Uberlegung sei. In solchen Augenblicken richtete er die Augen m"oglichst scharf auf das Fenster, aber leider war aus dem Anblick des Morgennebels, der sogar die andere Seite der engen Strasse verh"ullte, wenig Zuversicht und Munterkeit zu holen. "Schon sieben Uhr", sagte er sich beim neuerlichen Schlagen des Weckers, "schon sieben Uhr und noch immer ein solcher Nebel. " Und ein Weilchen lang lag er ruhig mit schwachem Atem, als erwarte er vielleicht von der v"olligen Stille die Wiederkehr der wirklichen und selbstverst"andlichen Verh"altnisse.
Dann aber sagte er sich: "Ehe es einviertel acht schl"agt, muss ich unbedingt das Bett vollst"andig verlassen haben. Im "ubrigen wird auch bis dahin jemand aus dem Gesch"aft kommen, um nach mir zu fragen, denn das Gesch"aft wird vor sieben Uhr ge"offnet. " Und er machte sich nun daran, den K"orper in seiner ganzen L"ange vollst"andig gleichm"assig aus dem Bett hinauszuschaukeln. Wenn er sich auf diese Weise aus dem Bett fallen liess, blieb der Kopf, den er beim Fall scharf heben wollte, voraussichtlich unverletzt. Der R"ucken schien hart zu sein; dem w"urde wohl bei dem Fall auf den Teppich nichts geschehen. Das gr"osste Bedenken machte ihm die R"ucksicht auf den lauten Krach, den es geben m"usste und der wahrscheinlich hinter allen T"uren wenn nicht Schrecken, so doch Besorgnisse erregen w"urde. Das musste aber gewagt werden.
Als Gregor schon zur H"alfte aus dem Bette ragte – die neue Methode war mehr ein Spiel als eine Anstrengung, er brauchte immer nur ruckweise zu schaukeln –, fiel ihm ein, wie einfach alles w"are, wenn man ihm zu Hilfe k"ame. Zwei starke Leute – er dachte an seinen Vater und das Dienstm"adchen – h"atten vollst"andig gen"ugt; sie h"atten ihre Arme nur unter seinen gew"olbten R"ucken schieben, ihn so aus dem Bett sch"alen, sich mit der Last niederbeugen und dann bloss vorsichtig dulden m"ussen, dass er den "Uberschwung auf dem Fussboden vollzog, wo dann die Beinchen hoffentlich einen Sinn bekommen w"urden. Nun, ganz abgesehen davon, dass die T"uren versperrt waren, h"atte er wirklich um Hilfe rufen sollen? Trotz aller Not konnte er bei diesem Gedanken ein L"acheln nicht unterdr"ucken.
Schon war er so weit, dass er bei st"arkerem Schaukeln kaum das Gleichgewicht noch erhielt, und sehr bald musste er sich nun endg"ultig entscheiden, denn es war in f"unf Minuten einviertel acht, – als es an der Wohnungst"ur l"autete. "Das ist jemand aus dem Gesch"aft", sagte er sich und erstarrte fast, w"ahrend seine Beinchen nur desto eiliger tanzten. Einen Augenblick blieb alles still. "Sie "offnen nicht", sagte sich Gregor, befangen in irgendeiner unsinnigen Hoffnung. Aber dann ging nat"urlich wie immer das Dienstm"adchen festen Schrittes zur T"ur und "offnete. Gregor brauchte nur das erste Grusswort des Besuchers zu h"oren und wusste schon, wer es war – der Prokurist selbst. Warum war nur Gregor dazu verurteilt, bei einer Firma zu dienen, wo man bei der kleinsten Vers"aumnis gleich den gr"ossten Verdacht fasste? Waren denn alle Angestellten samt und sonders Lumpen, gab es denn unter ihnen keinen treuen ergebenen Menschen, der, wenn er auch nur ein paar Morgenstunden f"ur das Gesch"aft nicht ausgen"utzt hatte, vor Gewissensbissen n"arrisch wurde und geradezu nicht imstande war, das Bett zu verlassen? Gen"ugte es wirklich nicht, einen Lehrjungen nachfragen zu lassen – wenn "uberhaupt diese Fragerei n"otig war –, musste da der Prokurist selbst kommen, und musste dadurch der ganzen unschuldigen Familie gezeigt werden, dass die Untersuchung dieser verd"achtigen Angelegenheit nur dem Verstand des Prokuristen anvertraut werden konnte? Und mehr infolge der Erregung, in welche Gregor durch diese "Uberlegungen versetzt wurde, als infolge eines richtigen Entschlusses, schwang er sich mit aller Macht aus dem Bett. Es gab einen lauten Schlag, aber ein eigentlicher Krach war es nicht. Ein wenig wurde der Fall durch den Teppich abgeschw"acht, auch war der R"ucken elastischer, als Gregor gedacht hatte, daher kam der nicht gar so auffallende dumpfe Klang. Nur den Kopf hatte er nicht vorsichtig genug gehalten und ihn angeschlagen; er drehte ihn und rieb ihn an dem Teppich vor "Arger und Schmerz.
"Da drin ist etwas gefallen", sagte der Prokurist im Nebenzimmer links. Gregor suchte sich vorzustellen, ob nicht auch einmal dem Prokuristen etwas "Ahnliches passieren k"onnte, wie heute ihm; die M"oglichkeit dessen musste man doch eigentlich zugeben. Aber wie zur rohen Antwort auf diese Frage machte jetzt der Prokurist im Nebenzimmer ein paar bestimmte Schritte und liess seine Lackstiefel knarren. Aus dem Nebenzimmer rechts fl"usterte die Schwester, um Gregor zu verst"andigen: "Gregor, der Prokurist ist da. " "Ich weiss", sagte Gregor vor sich hin; aber so laut, dass es die Schwester h"atte h"oren k"onnen, wagte er die Stimme nicht zu erheben.
"Gregor", sagte nun der Vater aus dem Nebenzimmer links, "der Herr Prokurist ist gekommen und erkundigt sich, warum du nicht mit dem Fr"uhzug weggefahren bist. Wir wissen nicht, was wir ihm sagen sollen. "Ubrigens will er auch mit dir pers"onlich sprechen. Also bitte mach die T"ur auf. Er wird die Unordnung im Zimmer zu entschuldigen schon die G"ute haben." "Guten Morgen, Herr Samsa", rief der Prokurist freundlich dazwischen. "Ihm ist nicht wohl<<, sagte die Mutter zum Prokuristen, w"ahrend der Vater noch an der T"ur redete, "ihm ist nicht wohl, glauben Sie mir, Herr Prokurist. Wie w"urde denn Gregor sonst einen Zug vers"aumen! Der Junge hat ja nichts im Kopf als das Gesch"aft. Ich "argere mich schon fast, dass er abends niemals ausgeht; jetzt war er doch acht Tage in der Stadt, aber jeden Abend war er zu Hause. Da sitzt er bei uns am Tisch und liest still die Zeitung oder studiert Fahrpl"ane. Es ist schon eine Zerstreuung f"ur ihn, wenn er sich mit Laubs"agearbeiten besch"aftigt. Da hat er zum Beispiel im Laufe von zwei, drei Abenden einen kleinen Rahmen geschnitzt; Sie werden staunen, wie h"ubsch er ist; er h"angt drin im Zimmer; Sie werden ihn gleich sehen, bis Gregor aufmacht. Ich bin "ubrigens gl"ucklich, dass Sie da sind, Herr Prokurist; wir allein h"atten Gregor nicht dazu gebracht, die T"ur zu "offnen; er ist so hartn"ackig; und bestimmt ist ihm nicht wohl, trotzdem er es am Morgen geleugnet hat. " "Ich komme gleich", sagte Gregor langsam und bed"achtig und r"uhrte sich nicht, um kein Wort der Gespr"ache zu verlieren. "Anders, gn"adige Frau, kann ich es mir auch nicht erkl"aren", sagte der Prokurist, "hoffentlich ist es nichts Ernstes. Wenn ich auch andererseits sagen muss, dass wir Gesch"aftsleute – wie man will, leider oder gl"ucklicherweise – ein leichtes Unwohlsein sehr oft aus gesch"aftlichen R"ucksichten einfach "uberwinden m"ussen. " "Also kann der Herr Prokurist schon zu dir hinein?" fragte der ungeduldige Vater und klopfte wiederum an die T"ur. "Nein", sagte Gregor. Im Nebenzimmer links trat eine peinliche Stille ein, im Nebenzimmer rechts begann die Schwester zu schluchzen.
Warum ging denn die Schwester nicht zu den anderen? Sie war wohl erst jetzt aus dem Bett aufgestanden und hatte noch gar nicht angefangen sich anzuziehen. Und warum weinte sie denn? Weil er nicht aufstand und den Prokuristen nicht hereinliess, weil er in Gefahr war, den Posten zu verlieren und weil dann der Chef die Eltern mit den alten Forderungen wieder verfolgen w"urde? Das waren doch vorl"aufig wohl unn"otige Sorgen. Noch war Gregor hier und dachte nicht im geringsten daran, seine Familie zu verlassen. Augenblicklich lag er wohl da auf dem Teppich, und niemand, der seinen Zustand gekannt h"atte, h"atte im Ernst von ihm verlangt, dass er den Prokuristen hereinlasse. Aber wegen dieser kleinen Unh"oflichkeit, f"ur die sich ja sp"ater leicht eine passende Ausrede finden w"urde, konnte Gregor doch nicht gut sofort weggeschickt werden. Und Gregor schien es, dass es viel vern"unftiger w"are, ihn jetzt in Ruhe zu lassen, statt ihn mit Weinen und Zureden zu st"oren. Aber es war eben die Ungewissheit, welche die anderen bedr"angte und ihr Benehmen entschuldigte.
"Herr Samsa", rief nun der Prokurist mit erhobener Stimme, "was ist denn los? Sie verbarrikadieren sich da in Ihrem Zimmer, antworten bloss mit ja und nein, machen Ihren Eltern schwere, unn"otige Sorgen und vers"aumen – dies nur nebenbei erw"ahnt – Ihre gesch"aftlichen Pflichten in einer eigentlich unerh"orten Weise. Ich spreche hier im Namen Ihrer Eltern und Ihres Chefs und bitte Sie ganz ernsthaft um eine augenblickliche, deutliche Erkl"arung. Ich staune, ich staune. Ich glaubte Sie als einen ruhigen, vern"unftigen Menschen zu kennen, und nun scheinen Sie pl"otzlich anfangen zu wollen, mit sonderbaren Launen zu paradieren. Der Chef deutete mir zwar heute fr"uh eine m"ogliche Erkl"arung f"ur Ihre Vers"aumnis an – sie betraf das Ihnen seit kurzem anvertraute Inkasso –, aber ich legte wahrhaftig fast mein Ehrenwort daf"ur ein, dass diese Erkl"arung nicht zutreffen k"onne. Nun aber sehe ich hier Ihren unbegreiflichen Starrsinn und verliere ganz und gar jede Lust, mich auch nur im geringsten f"ur Sie einzusetzen. Und Ihre Stellung ist durchaus nicht die festeste. Ich hatte urspr"unglich die Absicht, Ihnen das alles unter vier Augen zu sagen, aber da Sie mich hier nutzlos meine Zeit vers"aumen lassen, weiss ich nicht, warum es nicht auch Ihre Herren Eltern erfahren sollen. Ihre Leistungen in der letzten Zeit waren also sehr unbefriedigend; es ist zwar nicht die Jahreszeit, um besondere Gesch"afte zu machen, das erkennen wir an; aber eine Jahreszeit, um keine Gesch"afte zu machen, gibt es "uberhaupt nicht, Herr Samsa, darf es nicht geben. "
"Aber Herr Prokurist", rief Gregor ausser sich und vergass in der Aufregung alles andere, "ich mache ja sofort, augenblicklich auf. Ein leichtes Unwohlsein, ein Schwindelanfall, haben mich verhindert aufzustehen. Ich liege noch jetzt im Bett. Jetzt bin ich aber schon wieder ganz frisch. Eben steige ich aus dem Bett. Nur einen kleinen Augenblick Geduld! Es geht noch nicht so gut, wie ich dachte. Es ist mir aber schon wohl. Wie das nur einen Menschen so "uberfallen kann! Noch gestern abend war mir ganz gut, meine Eltern wissen es ja, oder besser, schon gestern Abend hatte ich eine kleine Vorahnung. Man h"atte es mir ansehen m"ussen. Warum habe ich es nur im Gesch"afte nicht gemeldet! Aber man denkt eben immer, dass man die Krankheit ohne Zuhausebleiben "uberstehen wird. Herr Prokurist! Schonen Sie meine Eltern! F"ur alle die Vorw"urfe, die Sie mir jetzt machen, ist ja kein Grund; man hat mir ja davon auch kein Wort gesagt. Sie haben vielleicht die letzten Auftr"age, die ich geschickt habe, nicht gelesen. "Ubrigens, noch mit dem Achtuhrzug fahre ich auf die Reise, die paar Stunden Ruhe haben mich gekr"aftigt. Halten Sie sich nur nicht auf, Herr Prokurist; ich bin gleich selbst im Gesch"aft, und haben Sie die G"ute, das zu sagen und mich dem Herrn Chef zu empfehlen! "
Und w"ahrend Gregor dies alles hastig ausstiess und kaum wusste, was er sprach, hatte er sich leicht, wohl infolge der im Bett bereits erlangten "Ubung, dem Kasten gen"ahert und versuchte nun, an ihm sich aufzurichten. Er wollte tats"achlich die T"ur aufmachen, tats"achlich sich sehen lassen und mit dem Prokuristen sprechen; er war begierig zu erfahren, was die anderen, die jetzt so nach ihm verlangten, bei seinem Anblick sagen w"urden. W"urden sie erschrecken, dann hatte Gregor keine Verantwortung mehr und konnte ruhig sein. W"urden sie aber alles ruhig hinnehmen, dann hatte auch er keinen Grund sich aufzuregen, und konnte, wenn er sich beeilte, um acht Uhr tats"achlich auf dem Bahnhof sein. Zuerst glitt er nun einigemale von dem glatten Kasten ab, aber endlich gab er sich einen letzten Schwung und stand aufrecht da; auf die Schmerzen im Unterleib achtete er gar nicht mehr, so sehr sie auch brannten. Nun liess er sich gegen die R"uckenlehne eines nahen Stuhles fallen, an deren R"andern er sich mit seinen Beinchen festhielt. Damit hatte er aber auch die Herrschaft "uber sich erlangt und verstummte, denn nun konnte er den Prokuristen anh"oren.
"Haben Sie auch nur ein Wort verstanden?" fragte der Prokurist die Eltern, "er macht sich doch wohl nicht einen Narren aus uns?" "Um Gottes willen", rief die Mutter schon unter Weinen, "er ist vielleicht schwer krank, und wir qu"alen ihn. Grete! Grete! " schrie sie dann. "Mutter?" rief die Schwester von der anderen Seite. Sie verst"andigten sich durch Gregors Zimmer. "Du musst augenblicklich zum Arzt. Gregor ist krank. Rasch um den Arzt. Hast du Gregor jetzt reden h"oren?" "Das war eine Tierstimme", sagte der Prokurist, auffallend leise gegen"uber dem Schreien der Mutter. "Anna! Anna! " rief der Vater durch das Vorzimmer in die K"uche und klatschte in die H"ande, "sofort einen Schlosser holen!" Und schon,liefen die zwei M"adchen mit rauschenden R"ocken durch das Vorzimmer – wie hatte sich die Schwester denn so schnell angezogen? – und rissen die Wohnungst"ure auf. Man h"orte gar nicht die T"ure zuschlagen; sie hatten sie wohl offen gelassen, wie es in Wohnungen zu sein pflegt, in denen ein grosses Ungl"uck geschehen ist.
Gregor war aber viel ruhiger geworden. Man verstand zwar also seine Worte nicht mehr, trotzdem sie ihm genug klar, klarer als fr"uher, vorgekommen waren, vielleicht infolge der Gew"ohnung des Ohres. Aber immerhin glaubte man nun schon daran, dass es mit ihm nicht ganz in Ordnung war, und war bereit, ihm zu helfen. Die Zuversicht und Sicherheit, mit welchen die ersten Anordnungen getroffen worden waren, taten ihm wohl. Er f"uhlte sich wieder einbezogen in den menschlichen Kreis und erhoffte von beiden, vom Arzt und vom Schlosser, ohne sie eigentlich genau zu scheiden, grossartige und "uberraschende Leistungen. Um f"ur die sich n"ahernden entscheidenden Besprechungen eine m"oglichst klare Stimme zu bekommen, hustete er ein wenig ab, allerdings bem"uht, dies ganz ged"ampft zu tun, da m"oglicherweise auch schon dieses Ger"ausch anders als menschlicher Husten klang, was er selbst zu entscheiden sich nicht mehr getraute. Im Nebenzimmer war es inzwischen ganz still geworden. Vielleicht sassen die Eltern mit dem Prokuristen beim Tisch und tuschelten, vielleicht lehnten alle an der T"ure und horchten.
Gregor schob sich langsam mit dem Sessel zur T"ur hin, liess ihn dort los, warf sich gegen die T"ur, hielt sich an ihr aufrecht – die Ballen seiner Beinchen hatten ein wenig Klebstoff – und ruhte sich dort einen Augenblick lang von der Anstrengung aus. Dann aber machte er sich daran, mit dem Mund den Schl"ussel im Schloss umzudrehen. Es schien leider, dass er keine eigentlichen Z"ahne hatte, – womit sollte er gleich den Schl"ussel fassen? – aber daf"ur waren die Kiefer freilich sehr stark; mit ihrer Hilfe brachte er auch wirklich den Schl"ussel in Bewegung und achtete nicht darauf, dass er sich zweifellos irgendeinen Schaden zuf"ugte, denn eine braune Fl"ussigkeit kam ihm aus dem Mund, floss "uber den Schl"ussel und tropfte auf den Boden. "H"oren Sie nur", sagte der Prokurist im Nebenzimmer, "er dreht den Schl"ussel um. " Das war f"ur Gregor eine grosse Aufmunterung; aber alle h"atten ihm zurufen sollen, auch der Vater und die Mutter: "Frisch, Gregor", h"atten sie rufen sollen, "immer nur heran, fest an das Schloss heran! " Und in der Vorstellung, dass alle seine Bem"uhungen mit Spannung verfolgten, verbiss er sich mit allem, was er an Kraft aufbringen konnte, besinnungslos in den Schl"ussel. Je nach dem Fortschreiten der Drehung des Schl"ussels umtanzte er das Schloss; hielt sich jetzt nur noch mit dem Munde aufrecht, und je nach Bedarf hing er sich an den Schl"ussel oder dr"uckte ihn dann wieder nieder mit der ganzen Last seines K"orpers. Der hellere Klang des endlich zur"uckschnappenden Schlosses erweckte Gregor f"ormlich. Aufatmend sagte er sich: "Ich habe also den Schlosser nicht gebraucht", und legte den Kopf auf die Klinke, um die T"ure g"anzlich zu "offnen.
Da er die T"ure auf diese Weise "offnen musste, war sie eigentlich schon recht weit ge"offnet, und er selbst noch nicht zu sehen. Er musste sich erst langsam um den einen T"urfl"ugel herumdrehen, und zwar sehr vorsichtig, wenn er nicht gerade vor dem Eintritt ins Zimmer plump auf den R"ucken fallen wollte. Er war noch mit jener schwierigen Bewegung besch"aftigt und hatte nicht Zeit, auf anderes zu achten, da h"orte er schon den Prokuristen ein lautes "Oh!" ausstossen – es klang, wie wenn der Wind saust – und nun sah er ihn auch, wie er, der der N"achste an der T"ure war, die Hand gegen den offenen Mund dr"uckte und langsam zur"uckwich, als vertreibe ihn eine unsichtbare, gleichm"assig fortwirkende Kraft. Die Mutter – sie stand hier trotz der Anwesenheit des Prokuristen mit von der Nacht her noch aufgel"osten, hoch sich str"aubenden Haaren – sah zuerst mit gefalteten H"anden den Vater an, ging dann zwei Schritte zu Gregor hin und fiel inmitten ihrer rings um sie herum sich ausbreitenden R"ocke nieder, das Gesicht ganz unauffindbar zu ihrer Brust gesenkt. Der Vater ballte mit feindseligem Ausdruck die Faust, als wolle er Gregor in sein Zimmer zur"uckstossen, sah sich dann unsicher im Wohnzimmer um, beschattete dann mit den H"anden die Augen und weinte, dass sich seine m"achtige Brust sch"uttelte.
Gregor trat nun gar nicht in das Zimmer, sondern lehnte sich von innen an den festgeriegelten T"urfl"ugel, so dass sein Leib nur zur H"alfte und dar"uber der seitlich geneigte Kopf zu sehen war, mit dem er zu den anderen hin"uberlugte. Es war inzwischen viel heller geworden; klar stand auf der anderen Strassenseite ein Ausschnitt des gegen"uberliegenden, endlosen, grauschwarzen Hauses – es war ein Krankenhaus – mit seinen hart die Front durchbrechenden regelm"assigen Fenstern; der Regen fiel noch nieder, aber nur mit grossen, einzeln sichtbaren und f"ormlich auch einzelnweise auf die Erde hinuntergeworfenen Tropfen. Das Fr"uhst"ucksgeschirr stand in "uberreicher Zahl auf dem Tisch, denn f"ur den Vater war das Fr"uhst"uck die wichtigste Mahlzeit des Tages, die er bei der Lekt"ure verschiedener Zeitungen stundenlang hinzog. Gerade an der gegen"uber liegenden Wand hing eine Photographie Gregors aus seiner Milit"arzeit, die ihn als Leutnant darstellte, wie er, die Hand am Degen, sorglos l"achelnd, Respekt f"ur seine Haltung und Uniform verlangte. Die T"ur zum Vorzimmer war ge"offnet, und man sah, da auch die Wohnungst"ur offen war, auf den Vorplatz der Wohnung hinaus und auf den Beginn der abw"arts f"uhrenden Treppe.
"Nun", sagte Gregor und war sich dessen wohl bewusst, dass er der einzige war, der die Ruhe bewahrt hatte, "ich werde mich gleich anziehen, die Kollektion zusammenpacken und wegfahren. Wollt Ihr, wollt Ihr mich wegfahren lassen? Nun, Herr Prokurist, Sie sehen, ich bin nicht starrk"opfig und ich arbeite gern; das Reisen ist beschwerlich, aber ich k"onnte ohne das Reisen nicht leben. Wohin gehen Sie denn, Herr Prokurist Ins Gesch"aft? Ja? Werden Sie alles wahrheitsgetreu berichten? Man kann im Augenblick unf"ahig sein zu arbeiten, aber dann ist gerade der richtige Zeitpunkt, sich an die fr"uheren Leistungen zu erinnern und zu bedenken, dass man sp"ater, nach Beseitigung des Hindernisses, gewiss desto fleissiger und gesammelter arbeiten wird. Ich bin ja dem Herrn Chef so sehr verpflichtet, das wissen Sie doch recht gut. Andererseits habe ich die Sorge um meine Eltern und die Schwester. Ich bin in der Klemme, ich werde mich aber auch wieder herausarbeiten. Machen Sie es mir aber nicht schwieriger, als es schon ist. Halten Sie im Gesch"aft meine Partei! Man liebt den Reisenden nicht, ich weiss. Man denkt, er verdient ein Heidengeld und f"uhrt dabei ein sch"ones Leben. Man hat eben keine besondere Veranlassung, dieses Vorurteil besser zu durchdenken. Sie aber, Herr Prokurist, Sie haben einen besseren "Uberblick "uber die Verh"altnisse, als das sonstige Personal, ja sogar, ganz im Vertrauen gesagt, einen besseren "Uberblick, als der Herr Chef selbst, der in seiner Eigenschaft als Unternehmer sich in seinem Urteil leicht zu Ungunsten eines Angestellten beirren l"asst. Sie wissen auch sehr wohl, dass der Reisende, der fast das ganze Jahr ausserhalb des Gesch"aftes ist, so leicht ein Opfer von Klatschereien, Zuf"alligkeiten und grundlosen Beschwerden werden kann, gegen die sich zu wehren ihm ganz unm"oglich ist, da er von ihnen meistens gar nichts erf"ahrt und nur dann, wenn er ersch"opft eine Reise beendet hat, zu Hause die schlimmen, auf ihre Ursachen hin nicht mehr zu durchschauenden Folgen am eigenen Leibe zu sp"uren bekommt. Herr Prokurist, gehen Sie nicht weg, ohne mir ein Wort gesagt zu haben, das mir zeigt, dass Sie mir wenigstens zu einem kleinen Teil recht geben! <<
Aber der Prokurist hatte sich schon bei den ersten Worten Gregors abgewendet, und nur "uber die zuckende Schulter hinweg sah er mit aufgeworfenen Lippen nach Gregor zur"uck. Und w"ahrend Gregors Rede stand er keinen Augenblick still, sondern verzog sich, ohne Gregor aus den Augen zu lassen, gegen die T"ur, aber ganz allm"ahlich, als bestehe ein geheimes Verbot, das Zimmer zu verlassen. Schon war er im Vorzimmer, und nach der pl"otzlichen Bewegung, mit der er zum letztenmal den Fuss aus dem Wohnzimmer zog, h"atte man glauben k"onnen, er habe sich soeben die Sohle verbrannt. Im Vorzimmer aber streckte er die rechte Hand weit von sich zur Treppe hin, als warte dort auf ihn eine geradezu "uberirdische Erl"osung.
Gregor sah ein, dass er den Prokuristen in dieser Stimmung auf keinen Fall weggehen lassen d"urfe, wenn dadurch seine Stellung im Gesch"aft nicht aufs "ausserste gef"ahrdet werden sollte. Die Eltern verstanden das alles nicht so gut; sie hatten sich in den langen Jahren die "Uberzeugung gebildet, dass Gregor in diesem Gesch"aft f"ur sein Leben versorgt war, und hatten ausserdem jetzt mit den augenblicklichen Sorgen so viel zu tun, dass ihnen jede Voraussicht abhanden gekommen war. Aber Gregor hatte diese Voraussicht. Der Prokurist musste gehalten, beruhigt, "uberzeugt und schliesslich gewonnen werden; die Zukunft Gregors und seiner Familie hing doch davon ab! W"are doch die Schwester hier gewesen! Sie war klug; sie hatte schon geweint, als Gregor noch ruhig auf dem R"ucken lag. Und gewiss h"atte der Prokurist, dieser Damenfreund, sich von ihr lenken lassen; sie h"atte die Wohnungst"ur zugemacht und ihm im Vorzimmer den Schrecken ausgeredet. Aber die Schwester war eben nicht da, Gregor selbst musste handeln. Und ohne daran zu denken, dass er seine gegenw"artigen F"ahigkeiten, sich zu bewegen, noch gar nicht kannte, ohne auch daran zu denken, dass seine Rede m"oglicher- ja wahrscheinlicherweise wieder nicht verstanden worden war, verliess er den T"urfl"ugel; schob sich durch die "Offnung; wollte zum Prokuristen hingehen, der sich schon am Gel"ander des Vorplatzes l"acherlicherweise mit beiden H"anden festhielt; fiel aber sofort, nach einem Halt suchend, mit einem kleinen Schrei auf seine vielen Beinchen nieder. Kaum war das geschehen, f"uhlte er zum erstenmal an diesem Morgen ein k"orperliches Wohlbehagen; die Beinchen hatten festen Boden unter sich; sie gehorchten vollkommen, wie er zu seiner Freude merkte; strebten sogar darnach, ihn fortzutragen, wohin er wollte; und schon glaubte er, die endg"ultige Besserung alles Leidens stehe unmittelbar bevor. Aber im gleichen Augenblick, als er da schaukelnd vor verhaltener Bewegung, gar nicht weit von seiner Mutter entfernt, ihr gerade gegen"uber auf dem Boden lag, sprang diese, die doch so ganz in sich versunken schien, mit einemmale in die H"ohe, die Arme weit ausgestreckt, die Finger gespreizt, rief: "Hilfe, um Gottes willen Hilfe! ", hielt den Kopf geneigt, als wolle sie Gregor besser sehen, lief aber, im Widerspruch dazu, sinnlos zur"uck; hatte vergessen, dass hinter ihr der gedeckte Tisch stand; setzte sich, als sie bei ihm angekommen war, wie in Zerstreutheit, eilig auf ihn; und schien gar nicht zu merken, dass neben ihr aus der umgeworfenen grossen Kanne der Kaffee in vollem Strome auf den Teppich sich ergoss.
"Mutter, Mutter", sagte Gregor leise, und sah zu ihr hinauf. Der Prokurist war ihm f"ur einen Augenblick ganz aus dem Sinn gekommen; dagegen konnte er sich nicht versagen, im Anblick des fliessenden Kaffees mehrmals mit den Kiefern ins Leere zu schnappen. Dar"uber schrie die Mutter neuerdings auf, fl"uchtete vom Tisch und fiel dem ihr entgegeneilenden Vater in die Arme. Aber Gregor hatte jetzt keine Zeit f"ur seine Eltern; der Prokurist war schon auf der Treppe; das Kinn auf dem Gel"ander, sah er noch zum letzten Male zur"uck. Gregor nahm einen Anlauf, um ihn m"oglichst sicher einzuholen; der Prokurist musste etwas ahnen, denn er machte einen Sprung "uber mehrere Stufen und verschwand; "Huh! " aber schrie er noch, es klang durchs ganze Treppenhaus. Leider schien nun auch diese Flucht des Prokuristen den Vater, der bisher verh"altnism"assig gefasst gewesen war, v"ollig zu verwirren, denn statt selbst dem Prokuristen nachzulaufen oder wenigstens Gregor in der Verfolgung nicht zu hindern, packte er mit der Rechten den Stock des Prokuristen, den dieser mit Hut und "Uberzieher auf einem Sessel zur"uckgelassen hatte, holte mit der Linken eine grosse Zeitung vom Tisch und machte sich unter F"ussestampfen daran, Gregor durch Schwenken des Stockes und der Zeitung in sein Zimmer zur"uckzutreiben. Kein Bitten Gregors half, kein Bitten wurde auch verstanden, er mochte den Kopf noch so dem"utig drehen, der Vater stampfte nur st"arker mit den F"ussen. Dr"uben hatte die Mutter trotz des k"uhlen Wetters ein Fenster aufgerissen, und hinausgelehnt dr"uckte sie ihr Gesicht weit ausserhalb des Fensters in ihre H"ande. Zwischen Gasse und Treppenhaus entstand eine starke Zugluft, die Fenstervorh"ange flogen auf, die Zeitungen auf dem Tische rauschten, einzelne Bl"atter wehten "uber den Boden hin. Unerbittlich dr"angte der Vater und stiess Zischlaute aus, wie ein Wilder. Nun hatte aber Gregor noch gar keine "Ubung im R"uckw"artsgehen, es ging wirklich sehr langsam. Wenn sich Gregor nur h"atte umdrehen d"urfen, er w"are gleich in seinem Zimmer gewesen, aber er f"urchtete sich, den Vater durch die zeitraubende Umdrehung ungeduldig zu machen, und jeden Augenblick drohte ihm doch von dem Stock in des Vaters Hand der t"odliche Schlag auf den R"ucken oder auf den Kopf. Endlich aber blieb Gregor doch nichts anderes "ubrig, denn er merkte mit Entsetzen, dass er im R"uckw"artsgehen nicht einmal die Richtung einzuhalten verstand; und so begann er, unter unaufh"orlichen "angstlichen Seitenblicken nach dem Vater, sich nach M"oglichkeit rasch, in Wirklichkeit aber doch nur sehr langsam umzudrehen. Vielleicht merkte der Vater seinen guten Willen, denn er st"orte ihn hierbei nicht, sondern dirigierte sogar hie und da die Drehbewegung von der Ferne mit der Spitze seines Stockes. Wenn nur nicht dieses unertr"agliche Zischen des Vaters gewesen w"are! Gregor verlor dar"uber ganz den Kopf. Er war schon fast ganz umgedreht, als er sich, immer auf dieses Zischen horchend, sogar irrte und sich wieder ein St"uck zur"uckdrehte. Als er aber endlich gl"ucklich mit dem Kopf vor der T"ur"offnung war, zeigte es sich, dass sein K"orper zu breit war, um ohne weiteres durchzukommen. Dem Vater fiel es nat"urlich in seiner gegenw"artigen Verfassung auch nicht entfernt ein, etwa den anderen T"urfl"ugel zu "offnen, um f"ur Gregor einen gen"ugenden Durchgang zu schaffen. Seine fixe Idee war bloss, dass Gregor so rasch als m"oglich in sein Zimmer m"usse. Niemals h"atte er auch die umst"andlichen Vorbereitungen gestattet, die Gregor brauchte, um sich aufzurichten und vielleicht auf diese Weise durch die T"ur zu kommen. Vielmehr trieb er, als g"abe es kein Hindernis, Gregor jetzt unter besonderem L"arm vorw"arts; es klang schon hinter Gregor gar nicht mehr wie die Stimme bloss eines einzigen Vaters; nun gab es wirklich keinen Spass mehr, und Gregor dr"angte sich – geschehe was wolle – in die T"ur. Die eine Seite seines K"orpers hob sich, er lag schief in der T"ur"offnung, seine eine Flanke war ganz wundgerieben, an der weissen T"ur blieben h"assliche Flecken, bald steckte er fest und h"atte sich allein nicht mehr r"uhren k"onnen, die Beinchen auf der einen Seite hingen zitternd oben in der Luft, die auf der anderen waren schmerzhaft zu Boden gedr"uckt – da gab ihm der Vater von hinten einen jetzt wahrhaftig erl"osenden starken Stoss, und er flog, heftig blutend, weit in sein Zimmer hinein. Die T"ur wurde noch mit dem Stock zugeschlagen, dann war es endlich still.